Alles Geometrische, alles konstruktiv-konkrete in der Kunstentwicklung des 20. und 21. Jahrhunderts tendiert zum Absoluten, zur Schärfe einer klaren intellektuellen Bestimmung - mit durchaus dazwischen geschalteten Emotionsfaktoren, die jedoch die Grundkonzeption einer reinen Formensprache nicht in Frage stellen können, sollen und dürfen.
Die formale Realisierung dieser Kunstkonzepte impliziert jedoch immer eine - letztlich vom jeweiligen Grad der Betrachtungsvergrößerung abhängige - Unschärfe der Konzeptlinie : Jedes verwendete Material bringt hier seine eigenen formalen Wahrnehmungskategorien mit in die
Rezeption des Kunstwerks, das sich in seiner konkreten Perzeption durch den Betrachter niemals völlig von seiner sinnlichen Dimension soweit entfernen kann, dass nur - und ausschließlich - die Idee dahinter die Kunsterfahrung bestimmt.
Jede Idealform ist stets ein künstlerisches Diskursfeld der Annäherung, eine Orientierungsgröße. Viele Künstlerinnen und Künstler, die ihre Entwicklungsarbeit in einem Naheverhältnis zur konstruktiv-konkreten Kunst setzen, agieren mit größter Sensibilität im Hinblick auf diese Fragestellungen, sie inkludieren etwa wie selbstverständlich den Annäherungswert der Werkformulierung in die jeweilige Kunstkonzeption bzw. suchen gezielt die - sei es auch nur hauchzarte - Abweichung von der angesprochenen Idealkonzeption.
Ganz im Sinne der „Heisenberg’ schen Unschärferelation“ wird hier das Verhältnis von betrachteter Konzeptformulierung und betrachtendem Subjekt als offener, prozessorientierter Vorgang vorgestellt, nicht als letzlich niemals erreichbarer idealtypischer Werkzustand.
Mag. Dr. Peter Assmann